Eine starke Linke für Halle
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Leitanträge sind ein wichtiger Teil der innerparteilichen Demokratie und von außen betrachtet oft erschlagend, ohne die internen Debatten zu kennen. Dennoch sind sie wichtige Dokumente und halten den aktuellen Stand innerparteilicher Diskussionen, thematische Schwerpunkte und Leitlinien der gemeinsamen Politik fest. Deshalb stelle ich euch unten den Volltext des beschlossenen Leitantrages der Gesamtmitgliederversammlung des Stadtverbands Die Linke Halle (Saale) vom 23. November 2024 zur Verfügung.
Mit unserem Leitantrag blicken wir optimistisch in die Zukunft und sehen große Chancen, unsere politische Praxis den Anforderungen an eine moderne sozialistische Partei anzupassen. Der Kampf für soziale Gerechtigkeit ist und bleibt der Kern unserer Politik, um die Lebensbedingungen der Hallenser:innen konkret und vor Ort aktiv zu verbessern. Der Fokus liegt auf einer starken öffentlichen Daseinsvorsorge und bezahlbarem Wohnraum. Durch die Einbindung aller Mitglieder werden wir eine lebendige, partizipative Politik fördern. Mit einer klaren Strategie für die Bundestagswahl 2025 machen wir unsere sozialistischen Werte sichtbar und bewirken mit dir gemeinsam positive Veränderungen bewirken, um eine solidarische Zukunft zu gestalten.
I. Ausgangslage #
Die Ausgangslage der Partei Die Linke Halle (Saale) ist nicht gut, aber auch nicht hoffnungslos. Mit 7,2% bei der Europawahl und 12,4% bei der Stadtratswahl steht die Partei in Halle im bundesweiten Vergleich gut da, obwohl sie ebenfalls massiv verloren hat und dem Bundestrend nicht entrinnen konnte. Wir können die enttäuschenden Ergebnisse nicht durch Beteuerungen aufhalten, dass wir nichts falsch gemacht haben. Es hilft nichts, die gegenwärtige Situation einzelnen externen Entwicklungen zuzuschreiben. Auch wird es nicht helfen, ohne Willen zur kritischen Betrachtung eigener Fehler, auf die Wiederkehr vergangener gesellschaftlicher Umstände und mit ihnen verbundene politische Erfolge zu hoffen. Eine Partei gewinnt ihren Ruf nur dadurch, dass Menschen sich mit ihren Positionen und ihrer politischen Praxis identifizieren und ihr Kompetenzen und Veränderungspotential zuschreiben. Die Forderungen der Linken sind schon jetzt radikal, ostdeutsch, antirassistisch, feministisch, antimilitaristisch, antifaschistisch und sozialistisch – in der Theorie decken wir diese unterschiedlichen Ansprüche ab, trotzdem gibt es bei vielen das Gefühl, dass dieser oder jener Punkt angeblich aufgegeben wurde oder wir uns nicht stark genug dafür einsetzen würden. Dadurch dringen wir zu immer weniger Menschen durch. Eine Umkehr auf diesem Pfad ist also maßgeblich eine Frage der Praxis und der Glaubwürdigkeit - im Bund und in Halle.
Durch verschiedene Konflikte unter linken Akteur:innen wurde unsere Glaubwürdigkeit in unterschiedliche Richtungen beschädigt. Dazu ist es nicht gelungen, eine konsistente Kampagne zu entwickeln, die zu einer signifikanten Anzahl von Menschen durchgedrungen wäre. Wir müssen anerkennen, dass nur ein inhaltlich und personell geschlossenes Auftreten nach außen zu einem glaubhaften, vertrauenswürdigen Gesamtbild beiträgt. Dieser Erkenntnis entsprechend, sind eine vorausschauende inhaltlich-strategische Zusammenarbeit aller Akteur:innen des Stadtverbands und eine konstruktiv-kritische Perspektive auf unser politisches Wirken Voraussetzung.
Trotz all der genannten Herausforderungen haben wir als Partei viele Chancen, unsere politische Praxis und Strategie zu erneuern. Eine maßgebliche dieser Chancen besteht im enormen Mitgliederzuwachs des vergangenen Jahres: weit über 100 Mitglieder sind in dieser Zeit neu zu uns gestoßen. Diese Mitglieder bereichern unser Parteileben. Sie für aktive Mitarbeit zu gewinnen und Hürden zur Beteiligung aktiv abzubauen, ist dringliches Ziel aller aktiven Strukturen des Stadtverbands. Mit unseren jetzt über 470 Genoss:innen haben wir das Potential erfolgreiche Kampagnen umzusetzen und einen Großteil der Hallenser:innen durch unsere Präsenz im lokalen Kontext zu erreichen. Wenn es uns gelingt mit geeinten Kräften langjähriger und neuer Mitglieder unseres Stadtverbands geschlossen zu wirken, dann ist es nicht möglich, Die Linke zu ignorieren oder kleinzuschreiben, wie es derzeit oft bei Talk-Show-Einladungen, Zeitungsberichten und im Alltag passiert. Mit der richtigen Strategie ist es möglich, diesen Trend umzudrehen. Mit dieser werden wir die Hallenser:innen erreichen, unsere Mitglieder einbeziehen, mit der Ratsfraktion realpolitische Optionen aufzeigen, vor dem Hintergrund unserer sozialistischen Programmatik die radikale Perspektive verdeutlichen und einen konkreten Mehrwert bieten.
II. Blickrichtung Zukunft #
Die soziale Frage und ihre Lösung sind neben dem konsequenten Eintreten für den Frieden in aller Welt unsere unmissverständlichen Kernbotschaften. Sie und die Menschen, die sie betreffen, stellen wir für uns in den Mittelpunkt unseres Wirkens. An ihnen werden wir arbeiten, an ihnen orientieren sich die einzelnen Mitglieder und Strukturen und ihnen widmen wir unsere Öffentlichkeitsarbeit, die Kampagnenarbeit und die Arbeit in den Gremien. Wenn wir nicht das voranstellen, was uns vereint, dann werden wir keine klare Kommunikation haben, dann werden wir nicht alle aktivieren können und dann werden wir unserer historischen Rolle in Zeiten von verstärkter sozialer Spaltung, Militarisierung der Gesellschaft, dem Aufstieg des neuen Rechtsextremismus und der Klimakatastrophe nicht gerecht. Die Angriffe der Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte und der kürzlich zerbrochenen „Ampel“-Regierung auf die soziale Situation der Mehrheit sind enorm. Es gibt keinen Ausgleich für die Reallohnsenkungen, dafür aber extrem hohe Mieten, Kürzungen im Sozialbereich werden durchgesetzt, wir sollen immer länger arbeiten, die Kommunen sind pleite und die ökologische Transformation scheitert am Profitdiktat.
Von den sozialen Verwerfungen sind diejenigen, die diskriminiert werden oder schlechtere Ausgangsvoraussetzungen haben, besonders betroffen. Unter einem Mindestlohn, der noch unter der EU-Mindestlohnrichtlinie liegt, leiden die schlechter verdienenden Menschen in Halle und Ostdeutschland besonders. Unter künstlich verknapptem Wohnraum leiden Menschen mit Migrationsgeschichte besonders, da sie auf dem Wohnungsmarkt benachteiligt werden. Alleinerziehende leiden mehr unter fehlender Unterstützung, hohen Mieten und Lebensmittelpreisen als gut verdienende Kinderlose. Unter dem Anstieg der Ellenbogenmentalität leiden alle, die auf Solidarität angewiesen sind, Ideologien der Ungleichheit werden durch die soziale Krise verstärkt. Wenn die öffentliche Daseinsvorsorge zerstört wird, verlieren alle.
Das Hin- und Herschwanken bei Konflikten, die Suche nach dem nächsten großen Thema und die Strategie, quasi als Volkspartei, die wir in Ostdeutschland vielleicht einmal waren, alles und jeden bedienen zu wollen, muss aufhören. Stattdessen legen wir einen deutlich wahrnehmbaren Fokus unserer Arbeit auf die Stärkung der öffentlichen Daseinsvorsorge, auf Arbeit, die zum Leben passt und auf eine sozial-gerechte Gestaltung der Transformation in eine klimagerechte Zukunft. Wir zeigen Haltung: Die Linke steht in deinen alltäglichen Erfahrungen unnachgiebig an deiner Seite!
Die aktive Beteiligung ihrer Mitglieder ist die Essenz einer demokratischen und sozialistischen Partei. Um das zu erreichen, werden wir für alle, die unsere Positionen teilen, die Möglichkeit schaffen, gemeinsam aktiv zu sein. Unsere politische Arbeit werden wir dafür transparenter, partizipativer und konsistenter gestalten. Ziel des Stadtverbands ist die Schaffung von Möglichkeiten der niedrigschwelligen Beteiligung. Während es beim Wahlkampf eine hohe Teilnahme gab, erreichen Kampagnen die eigenen Strukturen nicht ausreichend. Diese Beteiligung kann dabei nicht einseitig durch Vorstandsgremien oder Mandatsträger:innen eingefordert werden, es muss darum gehen, Begeisterung aus der Breite des Stadtverbands und der Stadtgesellschaft für unsere politische Idee zu wecken. Der Stadtverband Die Linke Halle unterstützt dafür aktiv die Umsetzung der bundesweiten Gesprächsoffensive und ihrer begleitenden Kampagne und verbindet diese mit lokalspezifischen und landespolitischen Themen wie die Volksinitiative: Die Schule muss bleiben. Damit schaffen wir nicht nur ein aufsuchendes politisches Angebot in den Vierteln, sondern auch die Möglichkeit für unsere unterschiedlichen Mitglieder, sich gemeinsam zu engagieren. Für all diejenigen, für die wir Politik machen, stets erreichbar zu sein und Positionen, Perspektiven und politische Praxis von Die Linke im anstehenden Wahlkampf zur Bundestagswahl 2025 und weit darüber hinaus wahrnehmbar zu machen, sind essentielle Voraussetzungen für ein vertrauensvolles Verhältnis zu unserer Partei. Über Die Linke und unsere politische Idee einer modernen sozialistischen Partei sprechen wir nicht nur vor der Wahl, sondern sind zu jeder Zeit fest entschlossen – denn Die Linke wird gebraucht: viele spüren die aktuelle Ungerechtigkeit und sehnen sich nach einer anderen Politik, die ehrlich sagt, wie es ist, die hilft, kämpft und Lösungen im Sinne der Vielen vorschlägt.
Deshalb ist es umso wichtiger, unsere politischen Forderungen glaubhaft mit der Herstellung eines konkreten Mehrwerts zu untersetzen. Das Vermitteln eines persönlichen und gesellschaftlichen Gebrauchswerts sozialistischer Politik und ihren unmissverständlichen Kern rücken wir öffentlich wahrnehmbar in den Fokus. Dafür stärken wir greifbare Angebote wie eine niedrigschwellige Sprechstunde nicht nur im Linken Laden, sondern bauen diese auch in den Vierteln, nah an den Einwohner:innen unserer Stadt, weiter aus. Die aktive Beteiligung unserer Mandatsträger:innen an diesen Angeboten und ihre vielfältigen weiteren Aktivitäten sind dabei unerlässlich für die öffentliche Wahrnehmung unserer politischen Praxis. Nur durch kontinuierliche Ausrichtung unserer Arbeit und einer Orientierung entlang des Alltags in Halle kann es uns gelingen, dass wir den Menschen als natürliche und glaubwürdige Ansprechpartner:innen erscheinen.
III. Eine starke Linke für Halle #
Halle steht vor großen Herausforderungen und leidet wie viele andere Kommunen unter chronischer Unterfinanzierung. Verantwortlich für diese Entwicklung sind Landes- und Bundespolitik. Wir werden durch sie daran gehindert unsere Stadt aktiv zu gestalten und die Bedürfnisse der Hallenser:innen ausreichend zu bedienen. Für unsere Stadt setzen wir uns deshalb auf allen Ebenen für langfristige und bedarfsgerechte Finanzierung der Kommunen ein! Kindertagesstätten und Schulen, der öffentliche Nahverkehr und die Wasserversorgung, Straßen und Radwege, Kultur und Sport, Feuerwehr und Rettungsdienst, und vieles mehr gehören in den Aufgabenbereich der kommunalen Daseinsvorsorge. Wir kämpfen dafür, dass diese Leistungen für alle zugänglich sind und in der vollen Breite angeboten werden. Wir wollen massive Investitionen, für gute Schulen, für eine zukunftsfähige Infrastruktur und für eine gelingende kommunale Wärmewende, für die wir harte Auseinandersetzung mit dem Bund um die zwingend notwendigen Fördermittel führen müssen. Wir setzen uns für die Mieter*innen ein, die unter enormen Mietpreissteigerungen zu leiden haben. Für das Beenden der Mietpreisspirale nehmen wir die kommunalen Wohnungsgesellschaften in die Pflicht und setzen auf einen harten Kurs gegen private Immobilienkonzerne Dem politischen Rechtsruck widersprechen wir deutlich und wehren uns gegen rückwärts-gerichtete Politik, die denen am meisten schadet, die ihr am schutzlosesten ausgeliefert sind. Kürzungen im Sozialbereich und die Schwächung der öffentlichen Daseinsvorsorge nehmen wir nicht hin und halten dagegen.
Kommunalpolitik und die starke Verankerung vor Ort sind das Herzstück unserer Politik. In enger Koordination zwischen dem Die Linke Stadtverband und seinen Mandatsträger:innen erreichen wir eine sich ergänzende politische Praxis, um die Ziele unseres kommunalpolitischen Programms zu verfolgen und geeint für eine starke sozialistische Politik in unserer Stadt Halle (Saale) zu wirken.
IV. Die Linke für Halle in den Bundestag #
Gute Wahlergebnisse und das Erringen von Ämtern allein sind kein Selbstzweck für Die Linke, aber ein wichtiger Aspekt, damit gesellschaftliche Gestaltung gelingen kann. Erst wenn konkret etwas besser wird, ist es ein Erfolg. Um als moderne sozialistische Partei ein glaubhaftes Angebot machen zu können, dass sich wahrnehmbar von der Politik anderer Parteien unterscheidet, braucht es deshalb einen basisdemokratischen Ansatz unter Einbeziehung der Mitglieder und der Stadtgesellschaft und damit in der Partei und in den Vierteln konkret erfahr- und nahbare Politik. Diese Veränderungen setzen wir gemeinsam mit einer Kandidat:in zur Bundestagswahl 2025 um. Wir werden bundespolitische Themen mit lokalen Anliegen und einer überzeugenden Kandidatur verbinden. Ein:e Kandidat:in wird gemeinsam mit dem Stadtverband Programm, Wahlstrategie und Inhalte erarbeiten und vertreten. Den Weg einer Kandidatur für Die Linke bestreiten wir gemeinsam. Gerade vor dem Hintergrund der unsicheren Lage auf Bundesebene, muss diese Wahlstrategie dann direkt in die Strategie für die Landtagswahlen 2026 übergehen.
Wenn wir das Ruder herumreißen wollen, dann müssen wir jetzt und dauerhaft in den Vierteln und im Alltagsgeschehen präsent sein und auf vielen gesellschaftlich-politischen Ebenen aktiv werden. Die Wahlstrategie muss dazu passen und sollte direkt an unsere angedachten Aktivitäten anknüpfen. Wahlen, Kampagnen, Mandate, Mitgliedschaft – das muss zusammen gedacht werden.
V. Roadmap Sozialismus #
Auf Basis dieses Leitantrages brauchen wir einen realistischen, aber ambitionierten, Plan mit Vision und Weitblick, der spezifische und für uns messbare Ziele einschließt. Das umfasst einerseits einen Zeitplan, der vom Vorstand vorgeschlagen werden soll und der genug Zeit für die einzelnen Schritte und unsere Fokussierung auf Inhalte haben muss. Andererseits braucht es die inhaltlich konkrete Ausarbeitung von dem, was wir machen wollen: Qualifizierung der Hilfsangebote, Entwicklung von Kampagnen, Organisation von Diskussionsrunden für ein städtisches Programm für Landtags- und Bundestagswahlen. Das muss durch die Mitgliedschaft erfolgen, das heißt der Stadtvorstand muss konkrete Angebote für regen Austausch unter Mitgliedern machen, über den breit diskutiert und ein Programm gegebenenfalls angepasst werden muss. Für die Fokussierung auf die soziale Frage und die notwendige Geschlossenheit braucht es ein Verständnis des gemeinsamen Wirkens, das aus der Erkenntnis erwächst, dass wir vor einer Aufgabe stehen, die nur geeint lösbar ist. Eine Aufgabe die jeden Versuch wert ist, denn die Menschen brauchen linke Politik.