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Die Linke Sachsen-Anhalt Landesparteitag im September 2024

·1892 Wörter·9 min

Das war der Landesparteitag 2024 #

Der Landesparteitag im September 2024, seine Beschlüsse und Wahlergebnisse wurden mit Spannung erwartet. Die Linke befindet sich in einer außergewöhnlichen Situation, zu der es zahlreiche Analysen und nicht minder wenige Lösungsansätze der Bewältigung gibt. Der Landesparteitag fällt in genau diese Zeit, 4 Wochen vor dem Bundesparteitag in Halle.

In den nachfolgenden Zeilen möchte ich in kurzer Form einen Überblick über das vergangene Wochenende und den Landesparteitag, sowie seine Beschlüsse und abgelehnten Anträge geben. Für einen vollständigen Überblick über alle gefassten Beschlüsse steht sicher in den nächsten Tagen die jeweils beschlossene Fassung aller Anträge auf der Webseite des Landesverbands zur Verfügung.

Was wir beschlossen haben #

Leitantrag #

Wir brauchen eine schonungslose Analyse unserer Situation als Partei, aber auch einen mutigen Blick nach vorne. Die Krisen unserer Zeit führen zu einem hohen Sicherheitsbedürfnis, Sicherheit, frei von Krieg leben zu können, frei von Armut, soziale Sicherheit, berufliche Sicherheit, aber vor allem Planungssicherheit. Die Menschen erwarten von Politik planvolles, vorausschauendes, verlässliches Handeln. Der Landesparteitag sieht für uns als Partei die dringende Notwendigkeit, dass wir als Partei für den Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse noch stärker einstehen und konkrete Lösungsansätze anbieten.

Wir haben es versäumt die gesellschaftliche Anbindung zu stabilisieren und auszubauen, stattdessen wurden unsere inneren Widersprüche kultiviert und wir haben uns aus gesellschaftlichen Debatten zunehmend verabschiedet. Eine programmatische Untersetzung und Fortschreibung der Erkenntnisse aus den Anfangsjahren wurde versäumt, genauso wie eine Weiterentwicklung des Markenkerns. Unsere gesellschaftliche Akzeptanz haben wir, abseits der lokalen Verankerung in den Kommunen, wo wir nah an den Menschen wirken, dadurch zunehmend verloren. Diese und weitere Lichtblicke, wie Wahlerfolge ausländischer linker Parteien, zeigen auf, dass die Erarbeitung schlüssiger Konzepte und eine Diskussion mit am Ende für die Partei verbindlichen Antworten Teil eines Erfolgskonzeptes sein können.

Eine kritische und ehrliche Analyse der Europa- und Kommunalwahlen steht noch aus. Auch bei anderen Wahlen seit 2016 hat es diese nicht im notwendigen Umfang gegeben. Der Landesvorstand wird daher beauftragt noch in diesem Jahr eine Analyse der Europa- und Kommunalwahlen vorzulegen. Diese soll dann in Regionalkonferenzen mit den Genossinnen und Genossen diskutiert und Schlussfolgerungen für die anstehenden Wahlen daraus gezogen werden. Augenmerk muss auch auf die Mitgliederentwicklung gelegt werden. Aktiv und offensiv um neue Mitglieder zu werben, die sich den politischen Zielen und Werten der Partei verbunden fühlen, verankert die Partei wieder stärker in der Gesellschaft. Genauso ist das aktive Einbeziehen der Parteibasis in die politische Arbeit eine Daueraufgabe. Der neu gewählte Vorstand wird mit seiner Konstituierung eine neue AG Struktur berufen, die dem nächsten Parteitag bis zum Ende des II. Quartals 2025 einen breit getragenen Strukturvorschlag unterbreiten soll. Dabei sollen die Kreis- und Stadtverbände ebenso wie der Jugendverband einbezogen werden. Die Federführung für diesen Prozess ist der neuen Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit den Vorsitzenden übertragen worden. Die Entwicklung der Ressourcen wird soll ebenso wie die Bedarfe vor Ort Berücksichtigung finden. Aufgabe der AG Struktur soll es sein, Vorschläge zur Anpassung der Strukturen, besseren regionalen Zusammenarbeit und der Weitergabe von Wissen generations- und regionsübergreifend zu erarbeiten. Unsere Partei hat sich gewandelt: Immer mehr Mitglieder sind in den letzten Jahren eingetreten. Auf diese Neueintritte sind wir angewiesen und der Landesparteitag begrüßt sie ausdrücklich. Wir freuen uns, wenn jüngere Genoss:innen vor Ort Verantwortung übernehmen und wollen noch mehr Möglichkeiten dafür eröffnen. Langgediente Mitglieder, die die Arbeit der Partei auf beeindruckende Weise über Jahre getragen haben, und neue Mitglieder können stark voneinander profitieren und gemeinsam die Partei stärken. Der Landesparteitag hat sich zur Ermöglichung eines Generationenwechsels bekannt.

Der Landesparteitag hat im Leitantrag bekräftigt sich an den sozialen Interessen der Mehrheit orientieren zu wollen. Als Themen, die eine gemeinsame Basis für sozialistische Politik schaffen und die von Konservativen und Rechten angefeuerten spaltenden Kulturkämpfe durch eine solidarische Perspektive überwindbar machen, wurden Kämpfe um Lohn- und Rentengerechtigkeit, der Einsatz für niedrige Mieten und eine starke Daseinsvorsorge beispielhaft benannt. Widersprüche zwischen Amts- und Mandatsträger*innen dürften nicht mehr das Bild bestimmen. Auch werde es in dieser Zeit der Desorientierung nicht funktionieren, wenn andere Themen immer wieder unsere zentralen Anliegen überlagern. Der Leitantrag hält fest: wir sind keine Volkspartei, die alle Interesse bedient, sondern eine Partei derjenigen, die in Zeiten des Neoliberalismus Umverteilung, einen starken Sozialstaat, gute Löhne und Gerechtigkeit brauchen!

Der Leitantrag schließt mit den Worten: »Die Linke ist krisenerprobt und wird auch diese Krise überwinden, wenn wir uns auf unsere linken Ideale und den Markenkern unserer politischen Agenda zurückbesinnen. Es liegt an uns, zu alter Stärke zu kommen. Die Linke, das sind wir.«

Wahlen des Landesvorstands und Landesgeschäftsführers #

Alle Wahlergebnisse zur Wahl des Landesvorstands aber auch anderer Wahlen sind auf der Webseite des Landesparteitags nachzulesen. Hervorzuheben ist die Wiederwahl der beiden Landesvorsitzenden Janina Böttger (69,8 %, Stadtverband Halle) und Hendrik Lange (53 %, Stadtverband Halle), sowie den neu gewählten stellvertretenden Landesvorsitzenden Gritt Kumar (80,5 %, Stadtverband Magdeburg) und Erik Stehr (86,7 %, Kreisverband Burgenlandkreis). Zur Schatzmeisterin wurde Mareen Kelle (85,2 %, Kreisverband Wittenberg) und Jan Rötzschke (84,3 %, Stadtverband Halle) zum neuen Landesgeschäftsführer gewählt.

Unterstützung der Kandidatur Ines Schwerdtners #

Der Landesparteitag beschloss die Unterstützung der Kandidatur Ines Schwerdtners für den Bundesvorsitz, die mittlerweile eine Kandidatur gemeinsam mit Mitbewerber Jan van Aken angekündigt hat. Ines kann sich nun im Rahmen eines Verfahrens zur Mitgliederpartizipation den Mitgliedern vorstellen und uns die Möglichkeit geben mit ihr noch vor dem Bundesparteitag im Oktober in den Austausch über ihre Kandidatur zu kommen.

Die Schule muss im Dorf bleiben - Die Linke Sachsen-Anhalt startet Volksinitiative #

Mit einem Dringlichkeitsantrag wurde der Start einer Volksinitiative zum Widerspruch gegen die durch die CDU vorangetriebenen Schulschließungen beschlossen. Der Parteitag lehnte die neuerlichen Pläne von Landesregierung und CDU-Bildungsministerin zu einer drastischen Erhöhung der Zahl von Schülerinnen und Schülern für die Bildung einer Anfangsklasse und die Erhöhung des tradierten Klassenteilers von bisher 28 Schülerinnen und Schülern entschieden ab und fordert die Landtagsfraktion auf, alle parlamentarischen Möglichkeiten zu nutzen, eine Umsetzung dieser neuen Planungsvorhaben zu verhindern.

Die Linke Sachsen-Anhalt startet mit Beschluss des Landesparteitages eine Volksinitiative unter dem Titel „Die Schule muss im Dorf bleiben!“, um im Rahmen des Volksabstimmungsgesetzes eine Änderung des Schulgesetzes zu erreichen. Konkretes, aktuelles Ziel soll die gesetzliche Festschreibung progressiver Vorgaben für die Klassenbildung und die Schulgrößen sein, so dass willkürlichen Eingriffen der Schulbehörden in die Schulnetzplanung der kommunalen Schulträger die Grundlage entzogen wird.

Der Parteitag fordert den Landesvorstand auf, diese Volksinitiative in enger Abstimmung mit den Stadt- und Kreisverbänden sowie mit Abgeordneten der Kommunal- und Landesvertretungen zu gestalten und bittet alle Genoss:innen des Landesverbands die Initiative zu unterstützen.

Friedensdemonstration am 3. Oktober #

Der Landesparteitag hat, analog zum Beschluss unseres letzten halleschen Parteitags die Unterstützung der Friedensdemonstration am 3. Oktober beschlossen, ruft die Kreis- und Stadtverbände zur Teilnahme auf und unterstützt die Forderungen des Parteivorstands.

Analyse und Strategie #

Mit großer Mehrheit beschloss der Landesparteitag auf Antrag des Stadtvorstandes Magdeburg die Aufforderung an den Landesvorstand die strategische Ausrichtung des Landesverbands zu analysieren und sein inhaltliches Profil zu schärfen. Dabei wurde der Fokus auf 6 Säulen gesetzt: Die zurückliegenden Wahlen machen tiefgreifende Veränderungen notwendig. Eine Fortsetzung der bisherigen Praxis wird abgelehnt und stattdessen eine grundlegende Analyse und Veränderung gefordert. Diese sollen dabei Parteistrukturen, das inhaltliche Profil und die Mitgliederbindung in den Blick nehmen. Kreis- und Stadtverbände sollen in diesen Prozess eng und dauerhaft eingebunden werden. Maßnahmen und Strategien sollen dabei in der Basis diskutiert werden.

Der Generationenwechsel soll strukturell unterstützt und neuen Mitgliedern durch Räume der Begegnung und des Austauschs das Aktiv sein in unserer Partei erleichtert werden. Der Austausch mit erfahrenen Genoss:innen zur Verbesserung des gemeinsamen Wirkens ist ein zentraler Punkt des Antrags. Der Landesvorstand wird aufgefordert ein Konzept zur Stärkung der Mitgliederbindung und –gewinnung zu erarbeiten. Der Landesverband wird aufgefordert das inhaltliche Profil zu schärfen und Themen der Daseinsvorsorge wie Wohnen, Mobilität, Gesundheitsversorgung und Bildung zu fokussieren, konkret zu untersetzen und progressiv nach außen zu tragen. Auch die finanzielle Situation des Landesverbandes soll mit Blick auf sinkende finanzielle Mittel kritisch hinterfragt und dabei strukturelle Anpassungen geprüft werden.

Debattenräume für linke Politik #

Der Stadtvorstand Magdeburg beantragte ebenfalls eine Aufforderung an den Landesvorstand die Einrichtung von Diskursräumen, um kontinuierlich und regelmäßig kommunal- und weltpolitische Themen miteinander zu diskutieren. Diese Veranstaltungen sollen dabei sowohl in Präsenz als auch digital angeboten werden. Auch der Austausch zwischen ehrenamtlichen Verantwortungsträger:innen, sowie Kreis- und Stadtverbänden und dem Landesvorstand soll regelmäßiger und strukturierter erfolgen.

Geschlechtervielfalt und Selbstbestimmung #

Mit Bezug auf das neue Selbstbestimmungsgesetz hat der Landesparteitag auch beschlossen, Trans-, Inter- und Nicht-Binäre Personen bei der aktiven Mitwirkung in unserer Partei zu unterstützen und Satzungen und Ordnungen so zu überarbeiten, dass sie die geschlechtliche Vielfalt abbilden. Der Landesvorstand soll auch einen Vorschlag erarbeiten, wie Personen außerhalb des binären Geschlechtersystems bei Wahlen berücksichtigt werden können. Bisher kennen unsere Satzungen und Ordnungen häufig nur Mann und Frau.

Wahlkampf mit Plakaten #

Ein Antrag der Genoss:innen diverser Kreisverbände des ländlichen Raums fordert den Landesverband auf, die Plakatierung mit A1 Plakaten im Wahlkampf deutlich zu reduzieren. Den Kreis- und Stadtverbänden ist zukünftig freigestellt auf derartige Wahlwerbung auch gänzlich zu verzichten. Eingebracht wurde der Antrag dabei mit den Argumenten nicht ausreichender personeller Ressourcen in Flächengebieten, mangelnder Wirksamkeit der Plakate und einer nicht zeitgemäßen Umweltbelastung der Plakate, die nach dem Wahlkampf in ihrer schieren Masse nur noch entsorgt werden können.

Was wir nicht beschlossen haben #

Antragskomplex Mandate #

Ein großer Antragskomplex unterschiedlicher Anträge zum Themenkomplex der Mandate fand bei emotionalen vorgehenden Debatten und teils knappen Abstimmungen dennoch keine Mehrheiten zu den Themen wie Erneuerungsbestrebungen und Abgaben mit Blick auf unsere parlamentarischen Mandatsträger:innen. Auf der Tagesordnung standen 3 Anträge aus den Kreisverbänden Jerichower Land und Wittenberg, sowie des Stadtvorstands Halle (Saale), die jeweils unterschiedliche Teilaspekte beantragten, aber von ähnlicher Motivation nach struktureller Erneuerung und einer veränderten parlamentarischen Praxis getragen waren. Beantragt wurden in den unterschiedlichen Texten Regelungen zu Mandatszeitbegrenzungen oder Erneuerungsquoten bei der Listenaufstellung zu Landes- und Bundestagswahlen oder auch zur Höhe und Ausgestaltung der Mandatsträgerabgaben. Schlussendlich fand keiner der beantragten Versionen nach langer Debatte eine Mehrheit des Landesparteitags.

Kommentar: Und nun? #

Die Geschichte der Linken ist nicht zu Ende erzählt, das machten die Delegierten des Parteitags und seine Gäst:innen deutlich. Der Landesparteitag artikulierte mehrfach den Willen, die Linke aus ihrer Situation zu befreien. Diese stellt sich keineswegs auswegslos dar, im Gegenteil: der richtige Pfad scheint nur noch nicht gefunden. Die Analyse hinsichtlich des einzuschlagenden Pfades - und damit die Notwendigkeit in der vielfach vorgebrachten Erneuerung konkret zu werden - teilt sich dabei augenscheinlich zwischen stark Erneuerungswilligen, deren Augenmerk vor allem auf strukturelle Anpassungen fällt, und zögernderen Reformern, die weniger auf strukturell-organisatorische als auf inhaltliche Klärung setzen, konkrete Vorschläge abseits der Auflistung von nicht strittigen Kernthemen bisher aber schuldig bleiben.

Während der Leitantrag eher von letzteren getragen wird, beschloss der Parteitag jedoch auch einen Antrag, der deutlich stärker auf kritische Analyse, inhaltliche und personelle Fokussierung und einen anzustrebenden Generationenwechsel setzt, der als Zusatz zum Leitantrag verstanden werden kann. Der Landesparteitag zeigt in seinen Beschlüssen, Mehrheitsverhältnissen und Debattenbeiträgen schlussendlich ein bisher diffuses Bild und offenbart eine unentschiedene Perspektive auf den Weg der nächsten Monate abseits des “weiter so, aber anders”.

Die mit der durch den Parteitag unterstützten Kandidatur Ines Schwerdtners verbundenen “strategischen Orientierungen” bieten einen hoffnungsvollen Ausblick auf eine Linke, die nicht nur “2025 wieder in den Bundestag einziehen”, sondern als Partei gleichzeitig so gestärkt hervorgeht, dass sie “gesellschaftliche Debatten zu Zukunftsfragen prägen” kann. Mit hoffnungsvoller und fokussierter politischer Arbeit und konkreter inhaltlich-strategischer Klärung kann die Linke ihren Platz im Parteienspektrum erkämpfen. 1

Spannend bleibt insofern der Blick auf den anstehenden Bundesparteitag in Halle:

Es liegt an uns, zu alter Stärke zu kommen. Die Linke, das sind wir.